Ätna Velo
- Gregor Hilbrand
- 5. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Die absurde Kunst, nicht so schnell zu fahren, wie man könnte – eine Abfahrt vom Ätna
Wenn man mit einem Rennrad den Ätna hinunterfährt, gibt es zwei grundsätzliche Optionen: die kluge und die wahnsinnig schnelle. Die kluge Option ist etwa so beliebt wie Selleriesaft beim Kindergeburtstag, und die wahnsinnig schnelle fühlt sich an wie eine Fusion aus interstellarem Raketenstart und spontaner Selbstverachtung.
Der Ätna, seines Zeichens feuerspeiender Senior im Mittelmeerraum, bietet eine Abfahrt, bei der die Gravitation plötzlich ihre zurückhaltende Art verliert und beschließt, als hyperaktive Bergziege aufzutreten. Man könnte, theoretisch, Geschwindigkeiten erreichen, bei denen die Luft beginnt, Meinungen über dein Leben zu äußern – laut und pfeifend. Die Straße wird zur Suggestion, die Kurven zu philosophischen Fragen, und der Straßenbelag zu einem Roulette, bei dem jede Unebenheit ein „Vielleicht“ zur Ewigkeit ist.
Technisch gesehen könnte man also rasen. Man könnte das Tempo der eigenen Zellen testen, ob sie überhaupt für solche Geschwindigkeiten zertifiziert sind. Aber sollte man?
Das Rennrad antwortet nicht. Es vibriert nur leicht, vermutlich aus Angst oder Vorfreude. Oder beidem.
Denn klug ist das alles nicht. In etwa so klug, wie einem Vulkan zuzurufen: „He, puste mal!“ Oder einem Taxifahrer in Neapel zu sagen, er solle mal langsamer machen.
Und man weiß ja nie: Vielleicht testet Luigi gerade seine neue Ducati – mit der geistigen Reife eines Golden Retrievers auf Red Bull. Vielleicht bringt ein streunender Hund seinen Welpen bei, wie man Beute macht – mit einem Rennradfahrer als didaktischem Anschauungsmaterial. Oder vielleicht lauert hinter der nächsten Kurve ein Schlagloch von der Größe einer Baugrube, das bereits einmal eine Fiat Panda vollständig verschluckt hat und seitdem nur noch von Einheimischen mit ehrfürchtigem Schweigen erwähnt wird.
Nein, man fährt besser etwas langsamer. Nicht wegen der Angst. Sondern wegen des leisen Verdachts, dass Geschwindigkeit irgendwann nicht mehr von Fahrtechnik getragen wird, sondern nur noch von Wahrscheinlichkeitsrechnung und Stoßgebeten.
⚠️ Asphalt: überraschend sehr gut
➡️ 90km, davon 53km dem Himmel entgegen
↗️ Anstieg oft schattig, in der Sonne brutal
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