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Tarifa – eines der anderen Enden Europas

Man stellt sich ja gern vor, dass der südlichste Punkt Europas irgendwo dramatisch tobt: Atlantik links, Mittelmeer rechts, heroischer Rennradmensch dazwischen. In der Realität von Tarifa sieht das so aus: 45 Kilometer Windfön, 466 Höhenmeter, und am Ende ein Tor.




Die Runde startet harmlos genug: raus aus Tarifa, dieses flache Stück, wo die Straße noch so tut, als wäre sie Küstenpromenade. Links das Wasser, das nie wirklich warm werden will, rechts dieses staubige Hinterland, das schon nach zwei Minuten sagt: „Hier regnet’s nicht für dich.“ Der Wind ist natürlich da. In Tarifa ist der Wind immer da. Der fährt stumm mit, nimmt sich ungefragt Watt und tut so, als wäre er Teil der Gruppe.


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Sobald man leicht ins Hinterland hochzieht, wird’s schöner. Da oben kriegt die Gegend Struktur: niedrige Hügel, Gestrüpp, ein paar Korkeichenreste, dazwischen diese weißen Flecken Bebauung, die so aussehen, als hätte jemand beschlossen: „Hier wohn ich. Fertig.“ Von oben sieht man die Bucht von Tarifa wie eine schlecht ausgerollte Decke. Am Strand unten die Kites, die wirken aus der Höhe wie festgenagelte Bonbons.

Und dann fährt man südwärts, weil man ja „ganz runter“ will. Man sieht die Isla de las Palomas schon, diesen schmalen Damm, der die beiden Meere trennt. Man denkt: Yes. Geil. Foto. Legendärer Punkt. Die Karte sagt auch: Das ist da. Dein GPX sagt: Fahr da hin. Alles schreit: letzter Zipfel Europas!




Und dann steht da einfach ein verschlossenes Tor.

Kein Drama, kein Soldat, keine rote Leuchtschrift „Ende der Welt“. Nur ein Tor. Metall, fertig. Dahinter Spanien, davor du. Der südlichste Punkt ist halt nicht für Rennradromantik, sondern für Grenzpolizei, Hafen, Militärgedöns. Du stehst da, Puls runter, Beine warm, Meer rauscht von zwei Seiten – und Europa sagt: „Bis hierhin.“

Das ist der leicht enttäuschende Moment der Tour. Nicht groß, nicht tragisch. Eher so ein „Ach. So also.“ Man dreht, rollt zurück, nimmt den Wind jetzt von vorn (weil er sich ja immer dreht, aber nie zu deinen Gunsten), schaut nochmal über die Straße auf Afrika rüber – Marokko liegt da drüben so nah, dass man fast nach einer Radroute suchen könnte – und merkt: Die eigentliche Schönheit liegt gar nicht am Ende, sondern im Dazwischen.



Diese 45,8 Kilometer sind genau das: ein Dazwischen. Zwischen Atlantik und Mittelmeer, zwischen surfendem Touri-Ort und zerzaustem Hinterland, zwischen „hier könnte ein Spot sein“ und „nein, abgesperrt“. Keine Heldengeschichte. Aber eine ehrliche.

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