Michel oder doch Emil?
- Gregor Hilbrand
- 28. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Ein schwedisches Idyll mit Kopfnuss – Zu Besuch auf Kathult, dem Schauplatz von Emil i Lönneberga

Wenn Bullerbü das süße Lächeln Skandinaviens ist, dann ist Kathult der spitze Ellenbogen – herzlich, aber mit Schlagkraft. Tief in Småland liegt dieser Hof, der aussieht, als hätte Astrid Lindgren persönlich mit Axt und Feder die Landschaft geformt. Und genau das hat sie.
Kathult – das reale Kathult – heißt eigentlich Gibberyd und liegt bei Rumskulla. Doch sagen Sie das niemandem laut, der hierher pilgert. Für die Generationen, die mit Emil aufgewachsen sind, ist es Kathult, Punkt. Der Ort, an dem Suppenschüsseln Helme wurden und Schreinerbuden zum Refugium für kindliche Anarchie.

Apropos Emil: Im Original heißt er tatsächlich Emil. Nur im deutschsprachigen Raum wurde aus ihm „Michel“, vermutlich weil deutsche Kinder damals mit „Emil“ zu sehr nach Kästner rochen. Der Geist blieb aber der gleiche – ein blondes Kind mit dem strategischen Geschick eines Guerillakämpfers und dem Talent, sich aus jeder Katastrophe eine Holzfigur zu schnitzen.
Die Schreinerbude steht natürlich noch. Über hundert Figuren soll Emil dort geschnitzt haben – alle als stille Zeugen für Taten, bei denen andere Kinder lebenslangen Stubenarrest bekommen hätten. Besonders schön: Die Geschichte von der Figur, die dem Pfarrer zu ähnlich sah. Als die Mutter sie entdeckte, ließ sie sie diskret verschwinden – nicht wegen Gotteslästerung, sondern aus reinem Selbstschutz. Man weiß ja, wie Pfarrer sind.
Heute kann man durch das Wohnhaus gehen, auf dem Hof stehen, auf dem Alfred fast verblutet wäre, und zusehen, wie Kinder ihre Eltern in die Bude einsperren. Als Revanche für durchgeplante Urlaubstage voller „kultureller Highlights“.
Fazit: Wer Kathult besucht, besucht keinen Drehort – man tritt ein in eine Welt, in der Streiche Kunst und Kindheit wild sein durfte. Und das ist heute seltener als eine geschnitzte Pfarrersfigur mit unklarer Herkunft.
Comments