Stockholm
- Gregor Hilbrand
- 15. Juli
- 1 Min. Lesezeit
Wattekontrolle, Bassgedächtnis und die Flucht nach Vaxholm

Stockholm ist schön. Zu schön. Wie ein Architekturmodell, das aus Versehen bewohnbar wurde. Alles funktioniert, niemand schreit, selbst die Möwen wirken sozialdemokratisch gezähmt. Eine Stadt, die sich selbst auf leisen Sohlen applaudiert. Bitte nicht berühren – frisch gebügelt, staatlich betreut.
Wer hier aus der Reihe tanzt, bekommt vermutlich umgehend eine Einladung zum Gesprächskreis, wenn nicht gleich eine Dauerverschreibung Lisdexamfetamin. Rebellion? Gibt’s im Museum. Genauer: im Avicii Experience, irgendwo zwischen ABBA-Shop und Digital Detox Café. Drinnen flackert das Licht, der Bass hämmert – und plötzlich vibriert da etwas, das man fast vergessen hatte: Leben. Tim Bergling, der Junge, der vom Stockholmer Wohlfühlkäfig aus die Welt beschallte, bis sie tanzte – und er daran zerbrach.
Zur Beruhigung dann: Markthalle. Ein Tempel des Genusses mit Hygienestandard 3000. Fisch, so frisch, dass er sich fast beschwert, nicht mehr im Wasser zu sein. Rentier, Elch, Lachs in allen Aggregatzuständen. Dazwischen Pralinen, die aussehen wie Juwelen, und Zimtschnecken mit dem Zuckerpegel einer Kleinstadt. Alles ein bisschen zu perfekt, ein bisschen zu fotogen – aber man will trotzdem alles probieren.
Danach: Fähre nach Vaxholm. Die Flucht ins Idyll im Idyll. Man gleitet über glitzerndes Wasser, zwischen Rentnern mit Systemkamera und Pullovern in Pastell. Vaxholm selbst ist Stockholm in Miniatur, nur noch ein bisschen postkartiger. Die Festung guckt grimmig, meint es aber gut. Zimtschnecke, rote Holzhäuser, kein Widerspruch weit und breit.

Zurück bleibt das Gefühl, dass hier alles stimmt – bis auf das Unstimmige. Und das gibt’s nur noch im Museum. Und vielleicht ganz selten im Bass.




























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